Unser Abenteuer am Mont Blanc

„Wenn als Bergsteiger der Gipfel nicht das Ziel ist, kann man genauso gut tauchen gehen.“ David Lama

Gerade für uns stellt das Erreichen eines Gipfels und der damit verbundene GipfelApfelMoment einen elementaren Bestandteil des Bergsteigens und somit unserer Touren dar. Auf sich selbst gesteckte Ziele hinzuarbeiten und diese dann auch zu erreichen, ist ein unglaublich schöner und wertvoller Moment. Darüber hinaus ist es gerade für ein Sportlerherz wichtig, Erfolge zu feiern. Gleichzeitig jedoch ist das hochalpine Bergsteigen stark geprägt von unvorhersehbaren Situationen und Veränderungen, auf welche man sich nicht vorbereiten kann und auf welche man sich dann als Team neu einstellen muss. So erging es uns auf dieser Tour, welche für uns eine der größten sportlichen Herausforderungen darstellte, welche wir bisher erlebt haben.

Ankunft in Chamonix
FR 14.06.2019

Nach unserer Ankunft in Chamonix im RockyPop Hotel, sind wir direkt in die Innenstadt zum Maison de la Montagne spaziert, um uns die notwendigen und aktuellen Informationen über die geplante Route einzuholen. Leider haben wir dort erfahren, dass die technisch anspruchsvolle Cosmique-Route, welche wir ursprünglich geplant hatten, nicht begehbar ist. 

Vor unserer Reise hatten wir geplant den Mont Blanc über die Cosmique-Route zu besteigen, wie wir es im Jahr 2017 im Rahmen unseres 7 Summit der Alpen-Projekts getan haben. Ausgangspunkt dieser Mont Blanc Besteigung ist die Refuge des Cosmiques, von wo aus man über den Mont Blanc du Tacul und den Mont Maudit auf den Mont Blanc gelangt. Jedoch aufgrund von massiven Neuschnee-Mengen sind die steilen Flanken des Taculs und Maudits unbegehbar.

Diese Situation hat uns nun in einem ersten Moment gefrustet, da die Vorbereitungen für diese Route nun zunächst nicht mehr relevant waren. Somit fuhren wir zurück ins Hotel und verbrachten den restlichen Abend damit, alternative Wege zu finden, um unser ursprünglich geplantes Ziel, die Besteigung des Mont Blancs, doch noch zu erreichen. Von Chamonix aus gibt es als einzige Alternative noch den Normalweg, der über die Refuge de la Tête Rousse und die Refuge du Goûter auf den Gipfel führt. Diese ist zwar technisch nicht so anspruchsvoll, würde man den Aufstieg aber in einem Zug bewältigen, wäre das eine enorme sportliche Leistung. Man müsste von 1.035 auf 4.810 m ü. NN steigen und somit eine positive Höhendifferenz von ca. 3.800 Höhenmetern bewältigen. Hinzu kommt noch eine horizontale Strecke von ca. 35 km.

Dies wäre für uns eine der größten, bisherigen sportlichen Herausforderungen in den Bergen – was für uns Anreiz genug war, diese Herausforderung anzunehmen. Die Wettervorhersage der kommenden Tage war erstmal unbeständig, der kommende Mittwoch kristallisierte sich aber laut Wetterbericht immer mehr als idealer Gipfeltag heraus. Somit hatten wir die kommenden drei Tage Zeit, um uns bis zum geplanten Aufstieg noch einzulaufen und zu akklimatisieren.

Akklimatisierung Nid d‘Aigle, Gipfelstation Grands Montets, Aiguille du Midi
SA 15.06- MO 17.06.2019

Am ersten Tag der Vorbereitungsphase haben wir das erste Drittel der Wegstrecke bis zum Nid d‘Aigle von 1.035 bis 2.350 m abgelaufen. Am zweiten Tag sind wir am Grands Montets zur Gipfelstation des Bochard Lifts auf 2.764 m gestiegen. Am dritten Tag unserer Akklimatisierung sind wir dann mit der Seilbahn auf die Aiguille du Midi gefahren und sind dort auf das Vallée Blanche Richtung Refuge des Cosmiques und wieder zurückgelaufen, um einen finalen Höhenreiz auf 3.842 m zu setzen.

Gipfelbesteigung Mont Blanc
DI 18.06.-MI 19.06.2019

Am Dienstag haben wir tagsüber versucht möglichst viel zu schlafen und gut zu essen, damit wir gut erholt und mit viel Energie die große Tour starten können. Am Abend geht es dann endlich los: Wir starten um 18:45 Uhr bei warmen Temperaturen und Sonnenschein voller Vorfreude am Parkplatz in Les Houches am Fuße des Mont Lachats auf 1.035 m.

Das erste Drittel von ca. 1.000 Höhenmetern auf den Col de Mont Lachat auf 2.033 m legen wir in ca. 2,5 Stunden zurück. Der Weg schlängelt sich anfangs durch dichtbewaldetes stetig ansteigendes Gelände bis man die Baumgrenze überschreitet und sich der Blick ins Tal öffnet.

Hier genießen wir bei einer kleinen Trinkpause den traumhaften Sonnenuntergang bevor wir in der Abenddämmerung wenige Minuten später auf die Gleise der Tramway du Mont Blanc treffen.

Diesen folgen wir bis zur Endstation des Nid d’Aigle auf 2.348 m. In völliger Dunkelheit erreichen wir nach ca. 3,5 Stunden die Endstation und machen eine längere Pause. In dieser legen wir unsere Hochtouren-Ausrüstung an, da ab hier eine geschlossene Schneedecke auf uns wartet. Nach einer handvoll Nüssen, einer saftigen Nektarine und ein paar Schlücken Tee, starten wir frisch gestärkt unser zweites Drittel der Route in Richtung Refuge de la Tête Rousse.

Die ungewöhnlichen Schneemengen für diese Jahreszeit erlauben uns einen direkteren Aufstieg vorbei an der Hütte zum Grand Couloir auf 3.270 m. Die im Hochsommer extrem heikle Querung des Grand Couloirs ist durch die Schneeauflage und die tiefen Temperaturen in der Nacht unproblematisch und so erreichen wir den Einstieg in den Klettersteig um kurz vor 2.00 Uhr und sind damit super im Zeitplan. Dieser führt über ca. 600 Höhenmeter direkt unter die Refuge du Goûter. Eis und Schnee erschweren uns den Aufstieg, da Drahtseil und Wegmarkierungen nur schwer oder auch stellenweise nicht erkennbar sind. Dadurch wird aus einem einfachen Klettersteig für uns eine körperlich und mental anspruchsvolle Herausforderung, welche sich durch die immer dünner werdende Höhenluft noch verstärkt. Nach ca. 2 Stunden erreichen wir dann endlich auf 3.835 m die Refuge du Goûter.

Um wieder zu Kräften zu kommen, machen wir eine kurze Rast im Schuhraum der Hütte und stärken uns mit ein paar Nüssen und ein paar Schlücken Wasser. Mehr können wir in diesem Moment auch nicht essen, da sich bei uns allen ein flaues Gefühl im Magen bemerkbar macht. Da wir keine weitere Zeit verlieren möchten, binden wir uns in die Seilschaft ein und starten auf die letzten 1.000 Höhenmeter. Bis zu diesem Zeitpunkt sind wir 10 Stunden unterwegs und haben insgesamt schon 2.800 Höhenmeter bewältigt.

Wir betreten nun die endlos erscheinende, weiße Gletscher-Landschaft und steigen Schritt für Schritt zum Dome de Gouter auf. Die Atmosphäre am Gletscher ist zu diesem Zeitpunkt atemberaubend, da wir einen Sonnenaufgang über 4.000 Meter erleben dürfen.

Trotz der enormen Anstrengungen macht sich bei uns ein berauschendes Hochgefühl des Glückes breit und wir sind optimistisch unser Ziel zu erreichen.

Nach 12 Stunden und auf einer Höhe von 4.250 m kommen wir auf dem Dôme de Goûter an und sehen nun endlich zum ersten Mal den Gipfel des Mont Blancs.

Gleichzeitig jedoch ziehen entgegen des Wetterdienstes plötzlich erste, dichte Wolken auf und ein extrem eisiger sowie starker Wind pfeift uns um die Ohren. Dennoch sind wir weiterhin guter Dinge und voll motiviert mit dem Ziel vor Augen weiter zu marschieren. Als nächstes durchqueren wir das Col du Dôme und steigen vorbei an dem Vallot Biwak bis zum Bosse Grad auf 4.490 m. Im exponierten Bosses Grat angekommen, legt der Wind plötzlich nochmals an Stärke zu. Wir sind nun von Wolken und Nebel umgeben, wodurch unsere Sicht sich schlagartig verschlechtert und wir uns im völligen Whiteout befinden.

Vor allem jedoch die eisige Kälte setzt uns durch den starken Wind extrem zu. Darüber hinaus ist uns bewusst, dass wir noch mehr als eine Stunde bis zum Gipfel benötigen und zusätzlich noch insgesamt 9 Stunden harter Abstieg vor uns liegen. In Anbetracht der gefährlichen Wetterlage und unserer körperlichen Verfassung, wäre der weitere Anstieg äußerst fahrlässig und wir wären im Falle eines unvorhergesehenen Gewitters körperlich nicht mehr in der Lage schnell zur nächsten Hütte zu gelangen. Nach kurzem Beratschlagen und Abwägen sämtlicher Faktoren, entscheiden wir dann schweren Herzens aus Sicherheitsgründen kurz vor dem Gipfel umzudrehen und den Abstieg anzutreten.

Somit drehen wir nach 13,5 Stunden Aufstieg auf 4.490 m um und erreichen nach ziemlich anstrengenden und endlos erscheinenden 9,5 Stunden Abstieg auf 1.035 m unser Auto in Les Houches um 17:45 Uhr.

Als Bergsteiger ist es immer das Ziel, den Gipfel zu erreichen. Genau wie in sämtlichen anderen Lebensbereichen strebt man immer danach, die Ziele zu erreichen, welche man sich gesteckt hat. Wir hatten diesmal keinen Erfolg und mussten kurz vor dem lang ersehnten Ziel umdrehen. Dennoch war diese gemeinsame Grenzerfahrung eine unglaublich wertvolle Erfahrung für uns persönlich und vor allem als Team. Wir sind an dieser extremen Herausforderung gewachsen und als Team stärker geworden.

Es hat sich wieder einmal bewiesen, dass man manchmal schwere, aber schlussendlich die richtigen Entscheidungen treffen muss. Denn gerade beim Bergsteigen im hochalpinen Umfeld und in Höhen über 4.000 Meter, in welchen man mit vielen Risiken und teilweise unvorhersehbaren Situationen konfrontiert wird, zeigen sich Mut und Stärke vor allem dadurch, dass man Entscheidungen trifft, die entgegen dem sportlichen Ehrgeiz, den eigenen Wünschen und Emotionen sind, jedoch der Verstand und die Vernunft einen lenken.

Dennoch haben wir uns fest vorgenommen, wieder zu kommen und die Route noch einmal zu wagen – diesmal dann mit einem GipfelApfelMoment.

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